Toxic's Welt #4 - Notdienst und Praktikum

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Toxic's Welt #4 - Notdienst und Praktikum

Postby passenger » 2010-07-18 13:49

Hallo zusammen. Hab ja schon 'ne ganze Weile nicht Neues verlauten lassen. Aber hier bin ich noch mal, um euer graues Leben mit Farbe zu füllen.

Was hat sich also getan? Ich habe die Hitzewelle überstanden (bei mehr oder weniger gesundem Verstand) und mache jetzt ein lustiges Praktikum bei der Stadtverwaltung. Das heiÿt, praktisch tue ich nicht viel. Nehmen wir heute zum Beispiel. Ich komme hier pünktlich um acht Uhr an und melde mich beim Chef. Was hör ich? Tjoa, Herr Römgens, tut mir leid, vor Mittwoch hab ich hier nix für Sie. Ach, macht ja nix, Mister E., bei einer Stadtverwaltung muss es doch hundert pro überall massig zu tun geben. Also nix wie ab zum Schulamt. Die wollen sich dann melden, wenn sie was für mich haben. Das war um kurz nach acht. Jetzt ist es punkt drei Uhr Nachmittags, und in einer Stunde bin ich hier weg. Ah ja, beim Sozialamt war ich auch. Habe der Versuchung widerstanden, direkt Stütze zu beantragen, und statt gefragt, ob es was zu tun gibt für mich. Aber wieder Fehlanzeige. Was ich also bisher getan habe? Nada. Ah, doch, eine Stunde Mittag hab ich gemacht. Aber sonst nix. Das Dumme ist, ich muss hier antanzen, weil ich diesen Praktikumsschein brauche. Also mal zum Beigeordneten. Weil der hat ja viel mit rechtlichen Sachen zu tun. Aber wieder Fehlanzeige. Jutjut. Aber was ist denn das? Da, in der Ecke? Ha, ein PC! Den Silikongöttern sei Dank! Dumdidum, lustig hochgefahren die Kiste, die ca. 22 Fehlermeldungen weggeklickt (wie man es mir gezeigt hat) und direkt mal versuchen, auf diese Homepage hier zu kommen. Na, wo ist denn das Internet? In-ter-net? Gibt's hier nicht? Na dolle Wurst. Tag im Arsch. Also tippe ich jetzt eloquent auf der Tastatur herum, damit mich keiner kopieren schickt oder so'n Quatsch. Nur blöd, dass ich hier noch vier solcher Wochen vor mir habe. Danach bin ich garantiert Meister im "Beschäftigt gucken", aber sonst sitz ich mir hier nur den Arsch platt. Ende der Durchsage.

Der Lichtblick ist das Wochenende. Klar, werdet ihr sagen, weil da säuft sich der Snake ja auch erst mal randvoll kaputt. Nee, ich mein was anderes: Den Notdienst! Jawohl, meinen fabulösen Nebenjob in der Notarztpraxis. Weil nämlich dann wieder garantiert Mutantentag ist. Ich spreche aus Erfahrung, schlieÿlich mache ich das schon über drei Jahre. Und daher ist es mehr als an der zeit für eine schonungslose Analyse aller dort auftretenden Menschensorten:

Gruppe Eins: Die Rentner. Kommen meistens Morgens früh oder am frühen Nachmittag. In 90 % aller Fälle in Begleitung des Ehepartners/der Ehepartnerin. Sehen immer kerngesund aus, wollen aber Morphium oder ähnlich harten Stoff. Sind meist sehr höflich, brauchen aber ewig, bis sie die Versichertenkarte aus diesem komplizierten Schutzfoliendingsbums gefummelt haben. Wenn man da helfen will, werden sie fuchsig. Gruppe Zwei: Der unwillige Arbeiter. Zeitlich meist wie die Rentner, nie nach Feierabend. Wollen für einen absichtlich blutig geschlagenen Daumen einen bis drei Monate arbeitsunfähig geschrieben werden. Werden extrem sauer, wenn sie erfahren, dass wir das nur bis zum folgenden Montag machen. Weil dann müssen sie ja wieder zum Arzt gehen. Meist extrem schmerzverzogenes Gesicht.

Gruppe Drei: Mutter und Baby. Zeitlich möglichst spät, am besten nach 02.00 Uhr, weil dann haben die Kinder die beste Laune. Die Kinder schreien zwar nach Aussage der Mutter schon die letzten zwei Tage am Stück, aber erst jetzt kommt man auf die Idee, dass da was nicht stimmt. Am schönsten sind die hysterisch nach dem Arzt brüllenden Mütter, während der Ursprung ihrer Sorge fröhlich vor sich hin grinst und dumm aus der vollgeschissenen Windel guckt. Kleine Bastarde. Da wiederholt der nervöse Vater vor Aufregung immer meinen letzten Satz, der Kleine guckt mich total ängstlich an. Da lässt der vierjährige Hosenscheiÿer volle Möhre einen fahren und grinst plötzlich. Geheilt!


Gruppe Vier: Die Gastarbeiterfamilie. My favorite. Zeitlich unbegrenzt, aber meist nach 21.00 Uhr, weil das lustiger ist. Grundsätzliche Formel zur Berechnung der anrückenden Familienmitglieder: Ein Kranker plus drei Begleiter, bei Kindern unter 14 vier. Lächeln meist freundlich, nur alte Damen über sechzig strafen einen mit Verachtung und lassen die Jüngeren reden. Was auch gut ist, weil man die meist besser versteht. Die eine Dame hat damals dauernd nur freundlich genickt, hat kein Wort verstanden und hält mir die Versichertenkarte hin. Dies ist eine Reflexreaktion im Wartezimmer. Man kann sagen was man will: "Na, wieder vor den Bus gerannt?" "Hier Karte." Aber so fiese Sachen sage ich nie. Dafür sieht die Versichertenkarte oft aus, als wäre sie grad noch so Operation Desert Storm entkommen. Und statt dem Plastikteil krieg ich doch neulich von einem Mädel aus Mazedonien die Duldungsbescheinigung des Sozialamts vorgelegt! Man sieht, ich kann mich auf was freuen. Lieber 20 Verrückte mit Kopfschmerzen als ein PC ohne Internet und Spiele und nix zu tun.

Mit diesen Worten,
euer Snake
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